Nach einer kurzen Sommerpause steigen wir Anfang September mit einem Markenbotschafter-Tasting in die neue Tasting-Saison ein. Markenbotschafterin Chantalle Seidler, die uns im letzten Jahr bereits die Deanston Destillerie vorgestellt hat, ist zu Besuch bei den Whisky-Tastern Hannover und stellt uns diesmal Destillate aus der Tobermory Destillerie vor. Die ungetorfte Range läuft unter dem Tobermory Label und die getorften Whiskys haben das Label „Ledaig“.
Das heutige Tasting ist inklusive der virtuellen Tastings während des Corona-Lockdown bereits das 10. Tasting dieses Jahr und endlich dürfen wir unsere Verkoster auch wieder in unserer Homebase dem „Klubhaus Bemerode“ begrüßen, nachdem wir bereits zwei Präsenztastings im Salle Nollet durchführen konnten.
Das Klubhaus begleitete den Abend mit einer Auswahl aus Schnitzel oder vegetarischer Bowl und einem Früchtedessert.
Chantalle arbeitet bereits seit 7 Jahren für die Burn Stewart Distillers Company. Nachdem sie einige Zeit vor Ort in Glasgow im Vertrieb tätig war, wurde sie vor 4 Jahren gefragt, ob sie die Marken Deanston, Bunnahabhain und Tobermory / Ledaig als Brand Ambassador in Deutschland vertreten möchte.
Die heute vorgestellte Destillerie, die seit 1993 zu Burn Stewart Distillers gehört, liegt auf der Isle of Mull. Die Insel ist ausschließlich über eine Fähre mit einer etwa einstündigen Fahrt von Oban aus erreichbar. Auf der Insel ist Tobermory die einzige Destillerie. Doch auch über die Destillerie hinaus preist Chantalle die Isle of Mull als „eine Reise wert“ an. Sie nannte eine Reihe von Sehenswürdigkeiten, wie die kunstvollen, bunten Häuserzeilen, die auch auf dem Tobermory-Logo angedeutet sind, aber mit Haien, Walen auch einige Highlights aus der Tierwelt.
Die durchaus geringe Kapazität an Beförderungsmöglichkeiten zur Insel machten es auch der Distillerie immer wieder schwer, wenn es um Neuinstallation oder Wartung ging.
Im Jahr 2017 z.B. entschloss man sich zur Renovierung, um die bis dahin etwa 700.000 Liter jährlich auf 900.000 bis 1 Million Liter Kapazität nach einer zweijährigen Bauphase zu erweitern. Zwischenzeitlich war die kleine Destillerie geschlossen.
Die Abfüllungen von Tobermory bzw. Ledaig kommen mit 46,3 Vol. % in die Flasche. Dieser „Klasse statt Masse“ Ansatz erfolge laut Chantalle, um eine Kühlfiltration des Destillats unnötig zu machen. Bis zu einer 44,8 Vol. % Abfüllung kann es ansonsten in kühlen Umgebungen (wenn beispielsweise Eis zugefügt wird) zu trüber, milchiger Flüssigkeit kommen, sogar bis zu Flockenbildung. Bei der Kühlfiltration würden diese Bestandteile abgeschöpft, jedoch würde mit ihnen auch Geschmacksbestandteile entfernt. Aber mit den 46,3 Vol. % bei Tobermory ist dieses Verfahren glücklicherweise nicht nötig.
Die Destillerie verfügt nur über sehr kleines Warehouse auf der Isle of Mull und so werden die Fässer zum Reifen zunächst einmal per Fähre aufs Festland und dann noch einmal per Fähre weiter zur Bunnahabhain Destillerie zum Lagern transportiert.
Die Fermentationszeit wird mit 50-90 Stunden angegeben, wobei man drei verschiedene Fermentationschargen mit 50 Std, 80 Std und 90 Std vereint. Die Fermentationsdauer für Ledaig liegt etwa darunter bis zu 85 Std.
Über das Produktionsjahr produziert man in der einen Hälfte des Jahres den ungetorften Tobermory Whisky während in der anderen Hälfte die getorften Ledaig Abfüllungen hergestellt werden. Für die getorften Destillate wird mit 35ppm getorftes Malz der Port Ellen Malting Firma verwendet. Man bezieht damit den Torfgeschmack nicht aus lokalen Torfvorkommen, da die Insel zu größten Teilen Naturschutzgebiet ist, sondern von der für ihren Torf bekannten Insel Islay.
Bevor wir allerdings 5 Whiskys aus der Destillerie probieren konnten, hatte uns Chantalle zuvor mit einem ebenfalls in der Destillerie produzierten Gin versorgt. Die dazu benötigten Zutaten stammen außer den Wacholderbeeren allesamt von der Insel selbst. Neben Kräutern wird auch grüner Tee verwendet sowie Orangen- bzw. Zitronenabrieb. Als besondere Zutat wird noch etwa 5-6% vom Whisky New Make zugefügt, um den Gin seinen eigenen Geschmack zu verleihen.
Neben dem Starter-Gin bekamen wir folgende fünf Destillate zur Verkostung:
Als Gesamtresümee des Abends kann man sagen, dass die Gruppe doch eher zu den ungetorften Destillaten tendierte, da beide Tobermory Destillate auf dem Siegertreppchen standen. Der Tagessieger war der Tobermory 18 und auf dem dritten Platz landete der Tobermory 12 yo. Dazwischen gesellte sich auf Platz der Ledaig 10 yo.
Im Einzelnen beurteilten wir die die Whiskys wie folgt:
Tobermory 12 yo 46,3 Vol. % ❸
Der 12-jährige Tobermory ist erst seit der Wiedereröffnung im Jahr 2019 erhältlich. Dieser Whisky ersetzt seitdem den 10-jährigen in der Core Range.
Er reifte vollständig in American Oak in Ex-Bourbon Fässern und bekam durch seine Lagerung bei Bunnahabhain einen ganz leichten maritimen Touch.
Im Aroma lassen sich deutliche Zitrusnoten erkennen und er wirkt sehr fruchtig. Die Nase nimmt ihn als sehr fein wahr und es ist weiterhin eine malzige Note auszumachen.
Tobermory attestiert unserem Whisky reichhaltige Frucht-, Orangen- und Zitrusnoten, frische florale Anklänge und reichhaltige Eiche mit Vanille und Gewürzen.
Geschmacklich merken wir eine gewisse Schärfe und schöne Würze. Die Schärfe weicht allerdings schnell der schönen Cremigkeit. Er schmeckt auch floral und riecht nicht nur so.
Aus der Destillerie erfahren wir etwas mehr über die Würze. Süße Orange und Zitrusfrüchte, cremiges Karamell und reiche Vanille mit würzigen Noten von Zimt und Nelken, wird von Tobermory genannt.
Das Finish wird als langer und anhaltend mit Vanille und Gewürzen beschrieben.
Gegenüber dem 10-jährigen attestiert Chantalle dem 12-jährigen noch einmal mehr Substanz, die ihm die zwei zusätzlichen Lagerjahre einbrachten. Auch bei den World Whisky Awards 2021 kam der Whisky gut an und bekam dort eine Silbermedaille. Für uns war es der drittbeste Whisky des Abends.
Tobermory 18 yo 46,3 Vol. % ❶
Der zweite und letzte ungetorfte Whisky des Abends ist 6 Jahre älter als der Vorgänger. Der 18-jährige Tobermory wird ausschließlich für Deutschland, den wichtigsten Exportmarkt für Tobermory, hergestellt und er reifte ebenso in Ex-Bourbon Fässern und ist interessanterweise trotz der längeren Zeit in gleichen Fässen sehr viel heller als der nur 12 Jahre alte Vorgänger. Das Fass-Management bei Tobermory wird nicht unbedingt als Kernkompetenz beschrieben, was den Whisky aber nicht weniger lecker macht. Schließlich haben wir mit dem 18-jährigen den heutigen Tagessieger im Glas.
Chantalle erklärt uns, dass man statt das Hauptaugenmerk auf das Fass-Management zu legen eher daran interessiert sei bereits ein sehr feines und filigranes New Make zu produzieren.
Auch der zweite Whisky bringt deutlich Florale Aromen in die Nase. Er erinnert quasi an eine Blumenwiese. Auch Vanille ist diesmal für uns deutlich erkennbar.
Die Destillerie nennt ein Limette- und Minze-Aroma, Eukalyptushonig, den Duft von Buschröschen und Orangenblüten mit Vanille. Er soll einen mediterran-maritimen Gesamteindruck hinterlassen.
Der Geschmack lässt sich durch entspannt und cremig aber auch sehr komplex beschreiben. Er hat weniger Würze als der 12er vorher.
Aus der Destillerie wird der Geschmack durch buttrig weiches und salziges Karamell mit Jasmin und herberen Schokoladentönen durch das Eichenholz ergänzt.
Auch der Nachklang ist noch einmal etwas länger als der Vorgänger. Langanhaltend mit einem Hauch Salbeibonbons und leichter Ingwerschärfe mit Zimt, so beschreibt ihn die Brennerei.
Der 18 jährige Tobermory ist ein schöner Tagessiegerwhisky, der allerdings nicht ganz günstig ist und den man schon im dreistelligen Eurobereich einkaufen muss.
Ledaig Rioja Cask Finish Sinclair Series 46,3 Vol. %
Der dritte Whisky des Abends kommt mit der ersten Torfnote ins Glas. Es handelt sich um das Rioja Cask Finish aus der Sinclair Series. Der Name erinnert an den Gründer John Sinclair, der die Destillerie 1798 unter dem Namen Ledaig erbaute.
Wie eingangs erwähnt verwendet man mit 35 ppm getorftes Malz der Port Ellen Maltings von Islay, um den getorften Whisky zu produzieren.
Der Whisky, der im Rioja Fass sein Finish bekam, hat zwar keine Altersangabe, aber Chantalle weiß von einer 5-6 jährigen Reifung in Ex Bourbon Fässern sowie des anschließenden Finishings im Rioja Cask zu berichten.
Aus den typischen Rioja Aromen bringt der Whisky am ehesten noch Erdbeeraroma mit, ansonsten überwiegt zunächst die Torfnote, da es ja der erste Torfausflug des heutigen Abends ist.
Der Hersteller entdeckt noch weitaus mehr Aromen und beschreibt diese durch Noten von türkischer Köstlichkeit und Rosenblättern, ausgewogen mit kandierten Früchten und Trauben, gefolgt von reichem Leder und einer schönen pfeffrigen Würze. Im hinteren Teil kommt ein Hauch von Schokolade durch.
Er schmeckt süß und nach Beeren und wirkt insgesamt etwas wie Bowle. Die Destillerie attestiert ihm ein cremiges Mundgefühl, vollgepackt mit Mandeln, Gerste und süßem Malz mit Noten von pfeffrigem Ledaig, die schwarzen Himbeeren, süßer Vanille und Kakao Platz machen, durchsetzt mit Zimtgewürz und einem Hauch von frisch geschnittenem Gras.
Auch dieser Nachklang wird als langanhaltend beschrieben. Es handele sich um einen rauchigen Abgang mit roten Früchten und Meeresgischt.
Der erste Torfwhisky heute hat zwar nicht viele Stimmen bekommen, doch wenn er Stimmen erhielt so war es bis auf eine Stimme immer die Höchstpunktzahl. Er scheint damit zwischen den Torfliebhabern und eher gemäßigten Whiskygenießern zu polarisieren.
Ledaig 10 yo 46,3 Vol. % ❸
Der 10-jährige Ledaig aus der Standardrange ist der zweitplatzierte Whisky des heutigen Abends. Er wurde interessanterweise sogar von den Nicht-Torfliebhabern gelobt. Gereift ist dieser Whisky wie seine Vorgänger im Ex-Bourbon Fass.
Das Aroma offenbart eher weniger Rauch und bringt eher noch einen schönen süßen Duft mit. Tobermory fügt süße, salzige Rauchigkeit mit ausgeprägtem Inselcharakter und verspielten Noten hinzu, die auf milde Antiseptika, Kreosot, Wachspolitur, Minzschokolade und blumige Meeresaromen hindeuten. Weicher Torf, sanfter Rauch.
Geschmacklich finden wir ihn süß und nur leicht torfig. Für einen 10-jährigen Whisky ist er aber schon sehr schön komplex. Er ist definitiv süßer als der Vorgänger aus der Sinclair Reihe. Offiziell wird der Geschmack als verlockend süß, medizinische Aromen mit verlockenden Funken von würzigem Pfeffer und getrockneten Früchten mit reichlich torfigem Rauch und einer samtigen Vanille und malzigen Cremigkeit beschrieben.
Im Nachklang beschreiben wir ihn zusammen mit Chantalle als etwas erdig und an Bauernhof erinnernd. Er wird auch mit einem Herbstwaldboden verglichen. Die Destillerie bescheinigt ihm eine wundersame Verbindung von würzigem weißem Pfeffer, der vibrierenden Süße von Lakritze und einem Hauch von Nelken mit einer exquisiten, anhaltenden Salzigkeit.
Auch der Whiskywelt schmeckt dieser Whisky und so wurde er Category Winner bei den World Whisky Awards 21 für Single-Malts 12 Jahre und jünger wie bereits in 2020.
Ledaig 18 yo 46,3 Vol. %
Der letzte Whisky des Abends ist erneut ein torfiger Vertreter mit dem 18 jährigen Ledaig. Bei den World Whisky Awards wurde er als Best Islands (non Islay) Single Malt mit Gold ausgezeichnet.
Nach einer 15-jährigen Reifung in Ex-Bourbon Fässern lagerte er zusätzliche 3 Jahre in Ex-Sherry Fässern, was ihm auch gleich einige nussige und schokoladige Aromen verleiht. Ansonsten bietet er aufgrund der längeren Fasslagerung deutlich weniger Torf- oder Raucharomen.
Die Aromen werden aus der Destillerie durch reichhaltige, fruchtige Sherry-Rauchigkeit, schöne Balance von Phenolen, Seetang und leichtem Kreosot, getrocknete Chiliflocken, würziger schwarzer Pfeffer mit einem Hauch süßer Eiche beschrieben.
Geschmacklich tendieren wir wieder zu entspannt aber komplex und man merkt ihm seine Altersreife deutlich an. Kräftige, reiche Sherry- und Kräuter-Rauch-Aromen, Orangenschalen, Kaffee, ein Hauch von Meersalz, Tabak und weißem Pfeffer, weiß Tobermory zum Gaumenerlebnis hinzuzufügen.
Man beschreibt den Nachklang lang und ziemlich scharf mit mehr Rauch, einem Hauch von Lakritze und Meeresgischt.